Internes Hindernis

In Geschichten müssen Figuren Hindernisse überwinden.

Diese treten in verschiedenen Formen und Schwierigkeitsgraden auf sowie auf unterschiedlichen Ebenen: extern, intern und antagonistisch.
Die Hindernisse, welche i. d. R. die größte Resonanz beim Leser/Zuschauer erzeugen, sind solche, welche die Protagonisten dazu zwingen, sich mit Problemen auseinanderzusetzen, die in ihnen selbst begründet liegen.

Nicht in jeder Geschichte gibt es Figuren mit internen Problemen. Es ist nicht zwingend notwendig, ein internes Problem zu etablieren, um eine aufregende Geschichte zu kreieren. Doch tatsächlich ist es hilfreich, um der Geschichte bzw. dem Charakter Tiefe und Vielschichtigkeit zu verleihen. Ein internes Problem lässt die Figur fehlbar erscheinen – und somit glaubwürdiger, menschlicher, alltäglicher.

Interne Probleme gehören zum Innenleben eines Charakters und sind Ausdruck des inneren Widerstreits an Gefühlen. Sie sind naturgemäß emotional und intim, somit näher an der Erfahrungswelt des Rezipienten als die Oberflächenstruktur der Geschichte, wo u. U. Probleme behandelt bzw. Szenarios abgebildet werden, die weit außerhalb des Erfahrungshorizontes des Lesers/Zuschauers liegen.

Jeder kennt Gefühle wie Zweifel, Angst, Stolz, Verlangen, Zorn etc. Wir können uns auf solche Emotionen eher beziehen als dass wir uns bspw. in die Arbeit eines FBI-Agenten oder eines Polarforschers hineinversetzen können – oder in das Leben eines Iren an einem Junitag im Jahre 1904 (J. Joyce, Ulysses). Vielmehr verhält es sich so, dass uns die Arbeit des FBI-Agenten, die Abenteuer des Polarforschers oder das gewöhnliche Leben des Iren Anfang letzten Jahrhunderts interessieren, weil sie uns nahegebracht werden – durch Emotionen, die wir kennen, denn menschliche Emotionen haben sich seit Anbeginn der Zeit nicht grundsätzlich verändert, sie sind das Bindeglied.

Die dramaturgische Funktion

Ziemlich früh in der Geschichte, während noch die Figuren eingeführt werden, können Hinweise auf das interne Problem der Hauptfigur gegeben werden. Die Figur tritt dann ihre Reise an in der Hoffnung, das Ziel zu erreichen und ihren Wunsch zu befriedigen.

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Zunächst tauchen kleine Hindernisse auf, die überwunden oder umrundet werden müssen, um die Reise fortsetzen zu können. Diese können als Tests erscheinen. Die Bedrohlichkeit dieser Hindernisse, auch der internen, also derjenigen, die sich aus dem internen Problem ergeben, steigt kontinuierlich, bis zur finalen Konfrontation.
Es ist grundlegend für das Gesamtkonzept des internen Problems, dass die Figur bei den ersten Hindernissen, die ihr internes Problem herausfordern, scheitert. Diese Hindernisse oder Tests zeigen dem Leser/Zuschauer sowie der Figur selbst, dass ihr internes Problem den Erfolg der Unternehmung gefährdet. Diese Schwachstelle zeigt sich als negative Charaktereigenschaft, welche die Figur daran hindert, ihr Bedürfnis zu stillen und ihren Traum zu verwirklichen (also ihren Wunsch zu erfüllen). Das interne Hindernis ist quasi Symptom des internen Problems und behindert somit den Charakter auf persönlicher Ebene ganz unmittelbar – es löst ein reflexartiges Verhaltensmuster aus, ist letztlich ein Unvermögen, auf bestimmte Situationen anders als gewohnt zu reagieren.

Nur wenn die Figur das Negative ihres eigenen Charakterzuges erkennt – i. d. R. ungefähr in der Mitte der Geschichte – und sich zum Ende der Geschichte hin positiv verändern kann, wird sie auch die internen Hindernisse überwinden und das innere Problem gelöst haben.
Wenn also das interne Problem der Figur sich in übermäßigem Zweifel, Angst, Stolz, Verlangen oder Wut äußert, wird sie mit übermäßigem Zweifel, Angst, Stolz, Verlangen oder Wut reagieren, sobald sie auf die ersten Hindernisse trifft, und damit einen persönlichen Rückschlag erleiden. Nach einer Reihe solcher Rückschläge kann eine Veränderung eintreten – aber auch nur, wenn die Figur den Grund für das Verhaltensmuster erkennt und (ggf. später) versucht, dieses zu ändern.

Am Ziel angelangt, also noch bevor die Figur ihren Wunschzustand erreicht, muss sie sich final ihrem internen Problem stellen.
Zu diesem Zeitpunkt können in der Geschichte die verschiedenen Arten von Hindernissen – externe, interne und antagonistische – zusammen auftreten bzw. sich vermischen, sodass die Überwindung all dieser Hindernisse zur gleichen Zeit stattfindet.

Das hört sich alles sehr abstrakt an, wenn man diese Mechanismen und Funktionalitäten in Begrifflichkeiten zu pressen versucht. Tatsächlich sind die Merkmale, die wir hier beschrieben haben, sehr archetypisch für die Konstruktion einer Geschichte. Wenn wir uns ein paar unserer Lieblingsgeschichten anschauen, egal welcher Art – Klassiker, aktuelle literarische Werke oder Comics oder Geschichten unserer Kindheit, egal welchen Niveaus, wie bekannt, beliebt oder unterhaltsam sie sein mögen – es finden sich überall dieselben Muster und Prinzipien.

Wer eine Figur mit einem internen Problem zeichnet, muss sich zwingend interner Hindernisse bedienen, um dieses hervorzuholen. Das interne Problem muss ja irgendwann an die Oberfläche kommen, Auswirkungen zeigen, sonst ist es witzlos – dazu dient das interne Hindernis. Es fungiert als Nervpunkt: Wird dieser getroffen, wird eine negative (innere) Reaktion ausgelöst, die hinderlich für die Aktionen der Figur ist. Archetypisch ist, diesen Nervpunkt zu strapazieren, bis eine Veränderung –also der Wunsch nach Lösung des internen Problems – zur inneren Notwendigkeit wird und quasi unabdinglich ist.

Erfahre mehr über externe Hindernisse.

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