Externes Problem

In Geschichten müssen Figuren Probleme lösen – das ist das Grundprinzip.

Probleme treten gemeinhin in unterschiedlicher Form auf. Beim Storytelling gibt es äußere und innere Probleme. Das interne Problem einer Figur kommt aus ihr selbst, ist versteckt, womöglich ist sie sich dessen nicht einmal bewusst. Eine solche typische Schwäche oder Unzulänglichkeit der Figur wird irgendwann im Lauf der Geschichte eine Rolle spielen.
Doch das innere Problem einer Figur ist üblicherweise nicht das, was die Geschichte in Gang setzt.

Die meisten Geschichten beginnen damit, dass der Protagonist mit einem externen Problem konfrontiert wird.
In einigen Genres ist dies einfach zu identifizieren: In Krimis oder Mystery-Storys ist das externe Problem fast per Definition das Verbrechen bzw. das Geheimnis, welches es aufzudecken gilt und mit dem sich der Protagonist auseinandersetzen muss. Am Anfang der Geschichte gibt es also bspw. einen Mord und der Detektiv oder Kriminaler wird hinzugezogen, um den Fall zu untersuchen und zu lösen. Das externe Problem hat zunächst einmal nichts mit dem Protagonisten zu tun, bis zu dem Zeitpunkt, an dem er hinzugerufen wird. In Abenteuergeschichten oder Quest Storys, also Geschichten um eine große Suche geht es beim externen Problem um das Erlangen eines kostbaren Gegenstandes (der verlorene Schatz/Bundeslade, der Malteser Falke) oder die Zerstörung eines gefährlichen (der Ring in Der Herr der Ringe).

Das externe Problem tritt ein, wenn dem Protagonisten eine Mission übertragen wird, etwas zu erlangen, zu schützen, zu lösen, zu begleiten, zu zerstören etc.

Im Prinzip ist das externe Problem das, worum es (oberflächlich) in der Geschichte geht – also die Antwort auf die Frage: Wird es dem Protagonisten gelingen, das externe Problem zu lösen?
Wird bspw. Indiana Jones den verlorenen Schatz finden? Wird Sam Spade den Malteser Falken zurückholen?
In anderen Genres mag das externe Problem nicht so spektakulär sein, dennoch gibt es eines. In einer Beziehungsgeschichte kann es die fehlende Liebe eines potenziellen Partners sein.

Das externe Problem ruft den Wunsch in der Figur hervor, dieses zu lösen.

Das externe Problem ist eine notwendige Komponente der Geschichte, nämlich der Grund, diese exakt zu diesem Zeitpunkt beginnen zu lassen. Das externe Problem fungiert als auslösendes Moment bzw. als Trigger und bietet inhaltlich den Hintergrund für die Szene, in welcher der Auslöser den Startschuss für die Handlung gibt (Inciting Incident). Es ist also der Motor für die Handlung, der erste fallende Dominostein, das erste Glied einer Kette von Ereignissen.

Dass der Plot rund um das externe Problem herum gebaut wird, ist eine klassische Vorgehensweise. Odysseus’ Problem ist seine kein Ende nehmen wollende Irrfahrt. Ödipus’ Problem ist die Seuche, die – wie durch das Orakel verkündet – von den Göttern als Strafe für einen ungesühnten Mord gesandt wurde. Es folgt die tragische Verkettung der Umstände.

Die Figur erstrebt eine Situation, die von dem Problem befreit ist. Im Erreichen des Ziels liegt für die Figur die Lösung des Problems – und führt in ihren Augen zum Wunschzustand. In vielen Geschichten wird dies gegen Ende der Geschichte erzielt. Was sich hier ereignet, ist die Klimax.

In einigen Geschichten wird das Ziel weit vorher erreicht, ca. auf der Hälfte. Dann geht es in dieser Geschichte um die Konsequenzen für die Figur, das Erreichen des Wunschs. Das kann bedeuten, dass das externe Problem durch ein anderes ersetzt wird, oft ein gegenteiliges. Geschichten wie diese haben einen Mittelpunkt oder zentralen Wendepunkt (Peripetie), Sophokles’ Oedipus Rex bspw., Nabokovs Lolita oder auch die älteren Star-Wars-Filme.

Wie schnell auch immer das Problem des Protagonisten gelöst wird – jede Figur muss ein eigenes Problem haben, damit es gegensätzliche Interessen gibt. In manchen Fällen mögen Ziel oder Wunsch für einige oder auch alle Charaktere zusammenfallen. Fast jeder in Jäger des verlorenen Schatzes will den Schatz für sich, ebenso wie auch der Malteser Falke für alle Beteiligten gleichermaßen das Objekt der Begierde (der McGuffin) ist. Das Wichtigste in einer Geschichte ist, dass die Wünsche der Figuren, resultierend aus ihren jeweiligen Problemen, zu Interessenskonflikten untereinander führen – unabhängig davon, ob sie die gleichen oder unterschiedliche Probleme haben.

Warum ist das so?
Konflikt ist die treibende Kraft einer Geschichte und erwächst aus dem externen Problem. Darum ist es wichtig für den Autor, sich das externe Problem jeder Hauptfigur zu einem frühen Zeitpunkt des kreativen Prozesses beim Erarbeiten einer Geschichte zu vergegenwärtigen.

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